KAFRO’S PORTRAIT

Nachdem Kafro ab 1994 rund zehn Jahre leer stand, wurde es 2006 wieder mit Leben beseelt. Der Wiederaufbau des Dorfes wurde einerseits durch eine organisatorische und technische Planung für den Bau der neuen Wohnsiedlung und andererseits durch die Restauration der historischen Bauten realisiert. Beim Wiederaufbau wurde auf die historische Bauart Rücksicht genommen. Bei den Rückkehrern handelt es sich um Familien mit und ohne Kindern, die das Leben in Europa aufgegeben haben und ein neues in der Heimat der Vorväter aufzubauen. Sie alle haben sich freiwillig und bewusst für diesen Schritt entschieden.

Name

Der Name „Kafro“ ist das aramäische Wort für „kleines Dorf“. Um es nicht mit dem örtlich nahe gelegenen und gleichnamigen Dorf zu verwechseln, wurde dieses zu „Kafro tahtoyto“ (unteres Dorf) ergänzt. Kafro erhielt nach der Entstehung der türkischen Republik den offiziellen türkischen Namen Elbegendi. Das Dorf erlebte noch folgende weitere Benen­nungen wie Harapkefri, Kharap Kefre und Harabe Kefre. Wir verwenden nachfolgend den althergebrachten Namen „Kafro“ und verzichten dabei auf den Anhängsel. Auf Antrag der Dorfleitung beim Stadtrat von Midyat, erlangt Kafro am 03.06.2015 seinen ursprünglichen Namen „KAFRO“ zurück.

Geografische Lage

Das Dorf Kafro liegt in der Provinz Mardin, im Südosten der Türkei rund 15 km südöstlich von Midyat entfernt. Es wurde auf einer leichten Anhöhe gebaut und befindet sich ungefähr 900 m.ü.M. Kafro ist umgeben von den anliegenden Dörfern Enhil, Arkah, Arbo, Daywanke und Daline, welche höchstens 9 km entfernt sind. Die Grenze zu Syrien liegt weniger als 50 km von Kafro entfernt.

Entstehung

Laut mündlicher Überlieferung hat das Dorf Kafro seinen Entstehungsursprung noch vor Christi Geburt. Als Bestandteil des Turabdin war das Dorf Kafro wie die ganze Region vom tragischen Schicksal der Ausbeutung betroffen. Infolge der Vielzahl von Kriegen, Verfolgungen und Schändungen des Dorfes durch fremde Völker blieben über die geschichtliche Entwicklung von Kafro nur noch mündliche Überlieferungen erhalten. Bücher und andere schriftlichen Dokumente wurden entwendet, verbrannt und vernichtet. Die vielfachen gesellschaftlichen Bedrängnisse brachten nicht nur Kafro, sondern auch allen anderen Dörfern des Turabdin den Niedergang.

Bevölkerung

Im Jahre 1900 war Kafro von 30 Familien bewohnt. Im 1. Weltkrieg (1914/15) waren die Suryoye von dessen Folgen zu tiefst betroffen. Alle, die sich retten konnten, flohen in die benachbarten Klöster und fanden dort ihren Schutz. Kafro war in diesem Zeitraum unbewohnt. Erst um 1916 kehrten die ersten 8 Familien von den Klöstern in ihr Heimatdorf Kafro zurück.

Kafro erlebte 1970 mit 46 Familien die Spitze der Bevölkerungszahl. Nach der in den 1980-er Jahren beginnenden Auswanderungswelle, vorwiegend in Richtung Europa, schrumpfte die Zahl der Bewohner im Jahre 1992 auf nur noch 5 Familien zurück. Mit der Ausreise der drei letzten Familien im Jahre 1994 stand Kafro leer und unbewohnt bis 2005 als die ersten 3 Familien zurückkehrten. Heute (2016) leben 13 Familien in Kafro und etwa 250 Familien in Europa, mehrheitlich in Deutschland, Schweden und in der Schweiz.

Wohnhäuser

Kafro umfasste bis zum Jahre 1970 46 Häuser, welche relativ dicht zueinander standen und alle besetzt waren. Sie hatten die typische Form eines Blocks, vorwiegend mit zwei Etagen. Der untere Teil des Hauses diente als Stall für die Haustiere und für das Vieh, der obere als Behausung der Familie. Wände, Decken und Böden bestanden aus grösseren Steinen, die herbeigeführt werden mussten und mittels einer Mischung aus selbstgebranntem Kalkstein und Zement zusammengefügt wurden. Jedes Haus verfügte über einen Vorplatz, der von einer Mauer begrenzt war, die für die Sicherheit der Bewohner diente.

Infrastruktur

Für die Wasserversorgung dienten früher ca. 80 selbst erbaute Tiefbrunnen, die sich vom Regenwasser füllten. Sie waren grossflächig verstreut. Einige sind sogar in den Vorhöfen der Häuser zu finden. Strom und Telefonanschluss sind erst in den 1980-er Jahren dem Dorf zugeführt worden – das ganze Dorf hatte nur einen einzigen Telefonanschluss.
Die Strasse, welche mitten durch dass Dorf verläuft, verbindet indirekt die Kreisstadt Midyat mit dem östlich gelegenen Dorf Arkah. Die Klöster Mor Malke und Mor Augin – ältestes Kloster überhaupt – sind ausschliesslich auf dieser Strasse zu erreichen.
Im Herbst und Frühling bildet sich aus den Regengüssen ein kleiner See, der als Tränkestelle für das Vieh genutzt wurde. Ein Fussballfeld diente dem Gemeinwohl der jungen Bewohner von Kafro. Hier wurden auch Freundschaftsspiele mit anderen Nachbardörfern ausgetragen.

Glaube

Die Bewohner von Kafro anerkennen den christlichen Glauben seit dem 3. Jahrhundert nach Christus. Alle Familien pflegen nach wie vor den christlichen syrisch-orthodoxen Glauben, welcher von der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien abstammt. Die Kirche war die Klammer, die die Bewohner zusammenhielt, ihnen sprachliche und religiöse Identität verlieh. Die Zeit der Christentums in der Osttürkei scheint aber aufgrund der Missstände des Landes allmählich zu Ende zu gehen, wenn diesbezüglich nichts dagegen unternommen wird.

Gotteshäuser

Der alte Friedhof ist umgeben von einer grossen Mauer und befindet sich im Kirchenareal der Kirche Mor Yahkup und der angebauten grosser Kirche Mor Barsaumo. Seit der Rückkehr befindet sich der Friedhof neu beim Gedenkhaus Gottesmutter Maria. Die Kirchen stehen seitlich am östlichen Dorfrand. Das noch damals gut erhaltene Gedenkhaus Gottesmutter Maria findet seinen Platz etwa 500 Meter ausserhalb des Dorfes. In Kafro wurden folgende Kirchen und kleinere Gedenkhäuser erbaut: Mor Yahkub und Mor Barsavmo (5. Jahrhundert); Gedenkhaus Gottesmutter Maria; Gedenkhaus Kadisto; Mor Bosus.

Kafro's Cafeteria

kafeteriaEine Familie aus Deutschland hatte sich vor der Rückkehr nach Kafro zum Ziel gesetzt, ein kleines Geschäft aufzubauen, um eine Beschäftigung für die eigenen Kinder anzubieten. Die Familie hat dieses Ziel erreicht und unter den Namen „Kafro’s Cafeteria“ das Geschäft im September 2009 als Pilotprojekt eröffnet. Die Idee war, eine Beschäftigung für die Jugendlichen anzubieten, damit in den heissen Sommermonaten kühle Getränke verkauft werden. Ein Jahr nach der Eröffnung kam der Wunsch von den Dorfbewohnern, nebst den Getränken noch kleine Snacks anzubieten. Die Familie hat diesen Wunsch aufgenommen und ein Holzofen gebaut, in dem frische Pizza gebacken wird und somit das Angebot erweitert. Der Inhaber des Familienbetriebs sieht sein Geschäft u.a. auch als eine Dienstleistung für das Dorf. Bei Bedarf kann die Infrastruktur für verschiedene Anlässe zur Verfügung gestellt werden. Sei es für kleine Feste wie Geburtstage, Taufen und ähnliches.

BETH MARDUTHO

beth-marduthoIm Namen von Iskender Alptekin, * 29.08.1961 / † 18.05.2010, wurde zu seinen Ehren als Dank und Würdigung seiner geleisteten Arbeit für alle Suryoye, das Kulturhaus „Beth Mardutho d’Iskender Alptekin Matay Rabo“ im Mai 2012 offiziell eröffnet. Iskender Alptekin, mit Künstlernamen Skandar Danho, war ein Sänger, der es mit seiner Band schaffte, mit diversen Liedern und Texten wie „Hlayme Suryoye“, „Athran Turabdin“ oder „Turo d’Izlo“ den Suryoye auf der ganzen Welt eine Stimme zu verleihen. Sein erstes Album „Hlayme Suryoye“ erschien im Jahre 1987, sein zweites „Wardo d’Gantho“ mit einer zusätzlichen CD „Farha“, 1991 und sein drittes und letztes „I Shemshaydan Nafiqo“, 1997. Als Sänger diente er stets der Kultur, Sprache und der Heimat der Suryoye. Mitte der 90er Jahre stieg er erstmals aktiv in das politische Geschehen ein und setzte sich unermüdlich für die Rechte der Suryoye ein. Im Zeitraum zwischen 2004 bis 2010 wurde er u.a. zum ersten Vorsitzenden der European Syriac Union (ESU) gewählt. Dieses Amt hatte er während der maximalen Amtsdauer von sechs Jahren in zwei Regierungszeiten von je drei Jahren präsidiert.

Das Kulturhaus dient als Gedenkstätte und steht im Dienste der Bewohner in Kafro und der umliegenden Suryoye im Turabdin für diverse Aktivitäten zur Verfügung.

 

Album „I Shemshaydhan Nafiko“

 

 

Album „Wardo d’Gantho/Farha“